Die Schweinshaxe und das Frühstück. Fabelhafte Ernährung und ihre Inszenierung

Vorabdruck mit freundlicher Erlaubnis von Prof. Dr. Marie Schröer, Universität Potsdam.

1. Vorbemerkung und Haltung

von Natacha Dagneaud (Mannheim)

Dieser Beitrag ist kein wissenschaftlicher Aufsatz, sondern der Versuch der Wiedergabe von alltagsrelevanten Inhalten in einem lebendigen face-to-face Austausch mit den Master-Studierenden in Potsdam im Rahmen der internationalen Woche der Semiotik. Als Markt- und Sozialforscherin liefere ich hiermit den Blick der Wirtschaft und der Unternehmen, die sich der Semiotik mehr und mehr bedienen, um deren Sinnproduktion zu verstehen und dieses Wissen in der Kommunikation mit ihren Kundinnen und Kunden zu nutzen.

Mein Dank gilt den Professorinnen Eva Kimminich und Marie Schröer für ihr Vertrauen und ihre Offenheit, akademische Semiotik mit der Praxis aus Unternehmen zu vernetzen und somit die eigene Semiosphäre zu erweitern.

In ersteren Teil führe ich aus, dass Essen nicht nur eine große Rolle in der Identitätsstiftung spielt, sondern eine Funktion der Abgrenzung zu anderen erlangt hat. Darüber hinaus können Ernährungsprinzipien politisch bzw. religiös gedeutet werden.

Im weiteren Verlauf lege ich den Fokus auf eine besondere Mahlzeit in der deutschen Kultur, nämlich das Frühstück. Ich zeige auf, wie seine gelebte Praxis mit den ihm anhaftenden Idealen auseinanderklafft. Das Frühstück ist zum Symbolbild geworden für die Individualisierung, Fragmentierung und Destrukturierung einer ganzen Gesellschaft.

Im Ausblick sehen wir, dass trotz Globalisierung das Essen weiterhin in intimster Form mit der lokalen Kultur verwoben ist. Es bildet menschliche Vielfalt ab, wie es kaum ein anderes Gut schafft.

2. Essen ist mehr als Nahrung? Vom leeren Magen bis zur Belehrung.

Bevor ich in das eigentliche Thema dieses Beitrags einsteige, möchte ich den bizarren Titel auflösen, der zwei Dinge scheinbar gleichstellt, nämlich Schweinshaxe und Frühstück. Er spielt auf die Erzählform der Fabel an, insbesondere „die Grille und die Ameise“ von La Fontaine.

Die Fabel erzählt von einer Grille, die im Sommer ihr Leben genießt, während die Ameise Nahrung für den Winter sammelt. Als der Winter kommt, ist die Grille hungrig und bittet die Ameise um Futter. Doch sie wird nur für ihre Sorglosigkeit getadelt. Im 17. Jahrhundert war man offensichlich der Meinung, dass ein leerer Magen das Ergebnis von Faulheit sei und dass sich ausgelebter Hedonismus räche. Essen war mit Arbeit verbunden. Heute ist es umgekehrt. Der Schreibtisch ist vielfach zum Esstisch mutiert.

Ein weiterer Aspekt der Titelwahl liegt in der Juxtaposition von Herzhaft-Üppigem und Frugal-Leichtem. Denn nach einer deftigen Schweinshaxe ist einem eher nach einem Mittagsschlaf zumute als nach einem produktiven Tag.

Beide Entitäten (‘Schweinshaxe’ und ‘Frühstück’) verbindet der Imperativ des Essens als “Ernegielieferant”. Dies gilt erst recht, nachdem wir alle für das früher billige Gas heute einen hohen Preis zahlen. Beide trennt aber die Schwere: Das Frühstück ist in unserer heutigen (Büro-)Gesellschaft zum “Kickstarter” geworden. Aus ihm ziehen wir idealerweise alles Elementare, ohne uns und unser Gewissen zu belasten.

Hinter der Schweinshaxe verbergen sich zwei prägende persönliche Erlebnisse, die ich hier schildern möchte.

    • Da ist zunächst die Tatsache, dass das Essen am Morgen in Deutschland durchaus herzhaft abläuft. Ich besuchte Deutschland zum ersten Mal zu Beginn meiner Pubertät und landete im tiefen Schwarzwald. Meine wundervolle Gastfamilie servierte geräucherte Salami bzw. Schwarzwälderschinken, Ei und Käse zum Frühstück – Tomaten, Gurken o.ä. vervollständigten das Bild, in dem natürlich auch süße Aufstriche nicht fehlten. Ich war schockiert, dass Salami so früh am Tag verzeht werden konnte, entdeckte aber gleichzeitig, dass mein Appetit damit viel eher angeregt wurde als mit den üblichen Butter-Croissants, die in Frankreich typischerweise auf dem Frühstückstisch stehen. Deutschland versöhnte mich mit dem Frühstück. Es wurde mir klar, dass die Relativitätstheorie auch bei den als “(un)passend” deklarierten Lebensmitteln zutrifft. Kulturprozesse eben!
    • Zur eigentlichen Schweinshaxe kam es fast vier Jahrzehnte später: Mit einer frisch aus England angereisten französischen Freundin, die unbedingt “typisch deutsche Gerichte” essen wollte, landete ich vor einem beeindruckenden Teller, auf dem eine erlegte Schweinshaxe thronte, offensichtlich unterlegen im Kampf gegen das noch schräg eingepflanzte (!) Messer. Diesen Augenblick hielt meine Freundin mit der Kamera fest, während ich vor Lachen platzte und mich fragte, wie ich bloß diese Essensmenge bewältigen sollte. Das entstandene Bild postete ich später auf einer Dating-Platform inmitten einer Reihe von zehn weiteren Aufnahmen in unterschiedlichsten Situationen. Zu meiner Überraschung stellte ich fest, welches ungewollte Phänomen ich mit diesem einen Bild auslöste. Was ich als lustiges Bild einer lebensfrohen Frau deutete, wirkte auf eine bestimmte Zielgruppe anziehend, da es als Gegenentwurf der Emanzipation gedeutet wurde. Begeisterte Kommentare wie “Endlich mal keine Veganerin!”, “Du kannst wohl genießen” oder “hast Du es ganz geschafft?” fluteten mein Postfach. Fleisch als die neue Erotik? Wer hätte das gedacht! Hätte ich die semiotische Analyse vorweggenommen, hätte ich es kommen sehen können.

3. Das Gebot der Stunde. Weißwurst vor 12 Uhr und „Früh“ Stück

Auf der Suche nach Indizien aus der Linguistik gelangt man in der Gegenüberstellung Englisch/ Französisch/ Deutsch schnell zur Erkenntnis, dass Frühstück in unterschiedlichen Sprachräumen im Kern auf unterschiedlichen mentalen Konstrukten aufgebaut ist:

    • Ein „breakfast“ läutet das Brechen mit dem Fasten der Nacht zuvor ein. Das Wort kündigt einen Abschied von Vergangenem, einen Einschnitt an.
    • Ein „petit-déjeuner“ ist ein Ausblick auf ein bevorstehendes Mittagessen. Es impliziert Mäßigung („klein“) in Antizipation des späteren Genusses sowie Inferiorität, weil es im Vergleich zur ‚eigentlichen, richtigen‘ Mahlzeit stiefmütterlich behandelt wird. Déjeuner (wörtlich ent-fasten) entspricht dabei dem englischen Wortsinn. Also brechen die Franzosen das Fasten theoretisch mit dem Mittagessen und konzeptualisieren das Frühstück als eine Art kleinen Vorgeschmack dessen.
    • Im Gegensatz dazu verankert sich ein „Frühstück“ unmittelbar in der Chronologie des Tages und setzt damit voraus, ein Frühstück müsse in der Früh erfolgen, ein Mittagessen zu Mittag und ein Abendessen am Abend. Das ist ein Paukenschlag, eine Tempo-Vorgabe und ein Tempo-Limit zugleich, denn wie soll ich meine halb vertilgte Butterbrezel um 10 Uhr betrachten? Kann ich diese guten Gewissens als Frühstück bezeichnen? Dazu kommt noch das ‚Stück‘, das etymologisch auf das Brot am Morgen verweist. Interessant ist die implizierte Festigkeit, die solide Konsistenz, ergo das Beißen. Oder handelt es sich auch bei einem Joghurt bzw. einem Cappuccino um ein „Stück“?

Während den französischen und englischen Begriffen eine Übergangsphase innewohnt (vor dem Mittag oder nach der Nacht), ordnet die deutsche Sprache etwas mehr Genauigkeit an: Alles zu seiner Zeit. Die frühe Weißwurst fängt den bayerischen Vogel: heute noch gilt ein Gebot des Vormittags – auch wenn dies lebensmitteltechnisch nicht mehr begründet ist. Uhrzeiten sind Bräuche. Bräuche beinhalten bewahrte Tradition. Was davon ist aber heute noch erhalten? Wieviel Ritual gibt es noch beim Essen? Vollzieht sich nicht vielmehr eine Entritualisierung?

Das sehen wir deutlich in unseren Befragungen. Menschen in Deutschland tun sich schwer damit, ihre Nahrung in den „grauen Zonen“ zu benennen (bspw. 10 Uhr 45: spätes Frühstück, frühes Mittagessen, Snack?), obwohl im Deutschen ja der schöne Begriff der Zwischenmahlzeit existiert. Aber dieser wiederum setzt voraus, dass überhaupt regelmäßige Mahlzeiten stattgefunden haben. Jedoch verschwimmen Mahlzeiten immer mehr. Eine akribische Dokumentation der Nahrungsaufnahme zeigt ein komplexes Bild: Verschmelzung von flüssig und fest (siehe flüssige Mahlzeiten der Marke yfood, „This is food“), Überlappung von Arbeit und Privatem (Home-Office als Kantine, Schreibtisch als Esstisch bzw. Küche als Arbeitsplatz), Fragmentierung und Verteilung der Portionen über mehrere Stunden hinweg (erstes Quarkbällchen um 9 Uhr 50, zweites um 10 Uhr 10, drittes um 11 Uhr). Das „zwischendurch“ hat gesiegt. Snackable content etabliert sich nicht nur durch medialen Konsum, sondern auch direkt durch unsere Ernährung.

Unser Ernährungsrhythmus spiegelt die hohe Individualisierung unserer Gesellschaft wider, in der gemeinsame, festgelegte Essensmomente immer weiter an Bedeutung verlieren. Umso mehr werden diese idealisiert. Diese Entwicklung ist schon lange in den USA sichtbar, wo ein hochstilisiertes Thanksgiving-Essen die vielen Snacks zu jeder Tages- und Nachtzeit kompensiert. Analog dazu gibt es in Deutschland – das haben mehrere unserer empirischen Erhebungen gezeigt – eine idealisierte Vorstellung des Frühstücks. Darauf werde ich im nächsten Abschnitt eingehen.

4. Ein deutsches Frühstück wie ein deutsches Märchen

So wie „der deutsche Wald“ seit der Romantik als Sinnbild germanisch-deutscher Kultur fungiert, ist das Frühstück in Deutschland eine besondere, sinnträchtige Mahlzeit.

Folgende wesentliche Zeichen sind der Ikonographie inhärent: Vielfalt und Auswahl, gedeckter Tisch und Besteck (bzw. Brett), Heißgetränk/Milch, diverse Sorten Brot und Brötchen, das Triptykum Wurst-Käse-Ei, Butter, süße Aufstriche wie Marmelade, Honig und/oder Nuss-Nugat-Creme sowie Orangensaft – und etwas Obst/Gemüse zum Drappieren und Dekorieren.

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Abb. 1: “Das deutsche Frühstück: Von süß bis üppig” (2011), https://www.n-tv.de/ticker/Ernaehrung/Das-deutsche-Fruehstueck-Von-suess-bis-ueppig-article3436581.html

Allein um das berühmte Frühstücksei kann in Deutschland bekanntlich ein Streit oder sogar ein Ehekrach entbrennen (vgl. Loriot, „das Frühstücksei“, erstmals 1977 von Radio Bremen ausgestrahlt). Auch hier wird das richtige Timing thematisiert und als kriegsentscheidend stilisiert.

Bei so viel Akkuratheit schrecken die befragten Verbraucherinnen und Verbraucher davor zurück, die am Vormittag aufgenommenen Speisen und Getränke als Frühstück zu betiteln. Ihnen fehlen dafür implizit drei konstitutive Aspekte:

    • Das Gefühl einer auf das Essen gelenkten Aufmerksamkeit: In Wahrheit wird das Essen als zweitrangig betrachtet gegenüber mehr Schlaf am Morgen, dem Sichten der sozialen Medien am Mobiltelefon oder dem Arbeitsbeginn.
    • Ein längeres Sitzen – überhaupt das Sitzen: Die Realität ist eher stehend und „en passant“, zwischen Küche, Bad und Wohnzimmer. Für mehr als einen Bissen ist (auch mental) kein Platz.
    • Ein sozialer Austausch: Was früher die Familie zusammengebracht hat, ist heutzutage immer seltener ein Moment der Gemeinsamkeit. Dafür laufen die Rhythmen häufig asynchron und jedes Haushaltsmitglied hat seine eigenen Agendapunkte. Hinzu kommen eine alternde Gesellschaft sowie eine zunehmende Anzahl an Single-Haushalten. Allein zu Frühstücken führt einem die eigene Einsamkeit vor Augen.
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Abb. 2a: Beispiele echter Frühstückssituationen in Deutschland, gepostet Januar 2025. https://gourmandise.wordpress.com/category/fruhstuck/

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Abb. 2b: Beispiele echter Frühstückssituationen unterschiedlicher Menschen in Deutschland in 2021, eigenes Datenmaterial aus Grundlagenforschung, Séissmo – Markt und Forschung

Das Stichwort Akkuratheit findet sich in den geometrischen Mustern wieder und in dem Bestreben der Menschen, ihrem Frühstück (ihrem Tag, ihrem Leben?) Form zu geben. Die Wurst wird gefaltet, so dass sie nicht über den Rand des Brotes ausufert und der Käse zugeschnitten und geschichtet. Der Belag wird an die Unterlage angepasst – damit gewinnt das Brot, auch wenn es nicht mehr sichtbar ist. Das machten sich französische Käse-Hersteller zunutze, indem sie Käsescheiben entlang der typischen Brotformate hierzulande produzierten. In Frankreich bilden Brot und Käse zwar ebenfalls eine Einheit, aber sie sollen konzertieren – nicht im Gleichklang sein. Eine solche Verformung würde dort als künstlich gelten, weil nicht mehr dem originären Laib zuordenbar.

Zusammenfassend könnten die neuen Paradigmen des Frühstücks also wie in Abb. 3 aussehen:

Traditionelles Frühstück

  • Opulent
  • Vielfältig
  • Sitzend, daheim, im Pausenraum
  • Gemeinsam
  • Unproduktiv
  • An einem Stück
  • Förmlich
  • Akkurat, Belag geschichtet und zugeschnitten auf Unterlage
  • Fokussiert
  • Langsam
  • Fest, zum Kauen
  • Frisch

Modernes Frühstück

  • Einfach
  • Reduziert
  • Stehend, on the go, im Auto/ in der Bahn
  • Allein
  • Produktiv
  • In Etappen
  • Casual
  • Mix & Match, mehrere Komponenten,
    frei gestaltbar
  • Nebenbei
  • Schnell
  • Flüssig, breiig, weich
  • Convenient, vorbereitet, ready-to-eat, verpackt

Abb. 3: Polaritäten und Mutationen des Frühstücks in Deutschland

In einem Tiefeninterview gräbt ein Millenial-Befragter in seinem Gedächtnis nach Frühstückserlebnissen und erinnert, wie sein Bruder und er als junge Kinder sonntags mit den Eltern in die Kirche gingen und anschließend bei McDonald’s im Familienkreis frühstücken durften. Letzteres haben sie mit großem Genuss assoziiert, aber auch mit schlechtem Gewissen. Denn die tradierten Eltern mussten ihre Glaubenssätze überwinden; ein solcher Gang (Kirche & Fast-Food) fühlte sich fast wie Blasphemie an.

Weil sie es also (beim Frühstück!) „nicht richtig“ machen, haben die Deutschen dann ein schlechtes Gewissen. Dies ist Stoff für einen anderen Aufsatz, der uns zur Schuldfrage bringen würde und dazu, wie Religion in unserer Nahrungsaufnahme noch immer stark wütet – wie man an der obigen Erlebnisschilderung erkennt. Während die Deutschen mit ihrem Gabentisch-ähnlichen Dekorum hantieren, sind die sekularisierten Franzosen zumindest beim Frühstück schuldbefreit(er). Die Gegenüberstellung in Abbildung 4 zeigt das Ausmaß der Anforderungen links und die „laissez-faire“ Attitüde rechts. Dabei ist das Butter-Croissant alles andere als frugal, aber eben keine vollwertige Mahlzeit. In einer nomaden Gesellschaft (heute ist alles to-Go, und Menschen sind immer „unterwegs“) scheint das französische Frühstück alltagstauglicher und entsprechend zeitgemäßer.

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Abb. 4: links “deutsches Frühstück”: https://www.fruehstuecksideen.net/deutsches-fruehstueck.php; und rechts “französisches Frühstück”: https://www.fruehstuecksideen.net/franzoesisches-fruehstueck.php

Essen ist tatsächlich zur neuen Religion geworden und wird instrumentalisiert, um uns voneinander zu unterscheiden und gleichzeitig, um Gruppenzugehörigkeit zu demonstrieren. Semiotisch betrachtet gewinnt Nahrungsaufnahme immer mehr an Symbolkraft: Ob Kuhmilch oder Haferdrink, vegane Salami oder Landjäger, Weltanschauung wird schnell anhand eines Lebensmittels mitgeteilt. Aufnahmen von Essen lassen sich leicht inszenieren, und die sozialen Medien ermöglichen unser Selbstmarketing. Kein Wunder, dass so viel Nahrung dokumentiert wird! Das Gericht fungiert wie eine Matrjoschka, i.e., enthält eine Botschaft in der Botschaft, die wiederum eine andere Botschaft trägt...

Schlussbemerkung

Faszinierend an der Markt- und Meinungsforschung ist die hohe Bedeutungslast, die sich hinter jedem so kleinen Alltagsdetail versteckt. Jüngst “beichtete” eine Probandin, als ‘Frühstück’ lediglich einen Energy-Drink und ein Croissant zu sich genommen zu haben und schämte sich dafür. Sind die Zeiten für eine Absolution gekommen? Und wer hat die Legitimation, diese zu erteilen?

Verbraucherinnen und Verbraucher zeigen hierzulande eine tiefe Verunsicherung in Bezug auf ihren Zugang zu Nahrung und ihre Ernährungsprinzipien. Und im Frühstück kristallisieren sich viele der momentanen Spannungen; hier entstehen kognitive Dissonanzen. Auf der einen Seite gilt das Gebot der guten Vorbereitung, um den Tag zu meistern (Leistungsimperativ) und dieses spricht für ein bewusstes, ausgewogenes und vielfältiges Frühstück. Auf der anderen Seite siegt der lange Schlaf, die Zeitoptimierung am Morgen für einen effizienten Prozess bis zum Arbeitsbeginn (Primat der Ökonomie bzw. Essen als Zeitverlust). Die Kulturwissenschaft hilft uns, sowohl die mentalen Repräsentationen des ‘guten deutschen Frühstücks’ zutage zu fördern als auch die Verhaltensänderungen in Form zeitlicher Verschiebung, Stückelung und Nomadismus sichtbar zu machen. Das zeigt, wie kulturelle Konstrukte wie „das Frühstück“ überdauern, selbst wenn sie nicht mehr im Alltag gelebt werden.

Bibliographie

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    • Stummerer, Sonja und Hablesreiter, Martin (2010): food design XL. Wien: Springer Verlag.
    • Werner, Ute (1999): Konsum im multikulturellen Umfeld: eine semiotisch orientierte Analyse der Voraussetzungen kulturübergreifenden Marketings. Frankfurt am Main: Europäischer Verlag der Wissenschaften.