Einstieg
von Natacha Dagneaud (Mannheim)
Was wirklich endet
Was endet, ist die tägliche Maschine, die Taktung von Briefings, Feldphasen und Auswertungen. Ich schließe den Marktforschungsbetrieb von Séissmo nicht mit einem Feuerwerk - eher so, wie man ein gutes Buch zu Ende liest. Die letzte Seite wird nicht herausgerissen (oder zuerst gelesen), sie wird bewusst umgeschlagen. Verträge laufen aus, offene Zusagen werden erfüllt, Fragen werden beantwortet. Ich rufe an, statt nur zu schreiben. Ich bin nicht müde oder der Marktforschung überdrüssig.
Aber ich habe in den Jahren gelernt, dass man Vertrauen nicht am Start gewinnt, sondern im Abschied beweist. Der Tag, an dem Sie sagen könnten, “schade, dass es endet”, soll auch der Tag sein, an dem Sie sagen können, “es ist gut so, wie es endet”. Ich will, dass Sie sich erinnern, wie wir gearbeitet haben. Sorgfältig, neugierig, mit dem Blick auf das Wesentliche. Und ich will, dass dieser Übergang das bestätigt. Ein sauberer Strich unter tiefgründiger Arbeit. Darauf kommt es mir an, wenn ich die Tür hinter Séissmo zuziehe und das Licht noch einmal prüfend ausknipse.
Was bleibt

Warum dieser Schritt Sinn ergibt
Ich habe lange genug im Maschinenraum der Marken gesessen, um die Räder zu kennen, die sich dort so drehen. Es war lehrreich, es war mitunter glanzvoll, aber der Lack hat mich nie so interessiert wie das Holz darunter. Mein innerer Kompass hat schon eine Weile sanft, aber hartnäckig nach Osten gezeigt. Meine Erfahrungen aus 30 Jahren Marktforschung wecken in mir das Bedürfnis, mit meinen geopolitischen Wurzeln gesellschaftlich relevante Forschung zu betreiben.
Wissen Sie: Die vielen Jahre internationaler Projekte, meine Nähe zu Georgien und zur Ukraine und vor allem die Zusammenarbeit mit Oksana, die aus der Ukraine fliehen musste, haben meinen Blick auf Europa nachhaltig verändert. Mir wurde deutlich, dass sich die demokratische Sicherheits- und Gesellschaftsordnung tiefgreifend verändert und neu austarieren wird – mit Folgen bis in den Alltag von Menschen und Institutionen. Daraus erwächst für mich eine Verantwortung: dort zu arbeiten, wo sorgfältiges Zuhören, das Erfassen von Einstellungen und Sorgen und ihre sachliche Einordnung zu tragfähigen öffentlichen Entscheidungen beitragen. Genau dafür möchte ich meine Erfahrung einsetzen.
Es gibt Momente im Berufsleben, da merkt man, dass der eigene Takt nicht mehr mit der Musik des Raums übereinstimmt. Man kann lauter werden, um zu übertönen, oder man kann den Raum wechseln. Ich wechsle den Raum. Mit Dankbarkeit für das, was war, und Demut vor dem, was kommt. Die Entscheidung fühlt sich nicht nach Absprung an, sondern nach Ankunft. Vielleicht ist es wie beim Fluss, der die Schleifen hinter sich lässt und sich ruhig in ein Delta entfaltet. Die Richtung ist nicht neu, nur die Breite.
Die Schule der letzten Jahrzehnte
Drei Jahrzehnte Arbeit formen einen Menschen wie Wasser den Stein. Bei Séissmo waren es 24 Jahre im offiziellen Kleid und davor viele Jahre als Lehrling der eigenen Neugier. Neue Erkenntnisse entstehen, wenn man Hypothesen überprüft, Begriffe gemeinsam klärt und Daten so dokumentiert, dass Dritte sie nachverfolgen können. Metaphern, Gesten und Schweigen: All das sind wichtige Daten, kein Beiwerk. Qualität heißt, den Kontext mitzudenken und Schlüsse offen zu belegen.
Hochschulen und Forschungseinrichtungen wie die Hochschule Pforzheim waren für mich ein zweiter Resonanzraum. Ich danke den Kolleginnen und Kollegen, und den Studierenden. Sie haben mich erinnert, dass Neugier keine Altersgrenze kennt.
An Grenzen lernt man, wie wichtig Brücken sind. Und in den zahlreichen Projekten lernte ich, dass Präzision kein Luxus ist, sondern Respekt am Menschen. Diese Schule trage ich in die nächste Aufgabe, so wie man ein vertrautes Werkzeug in eine andere Werkstatt mitnimmt.
Die Menschen hinter der Leistung






Der Blick nach vorn
Ich schaue nach vorn wie jemand, der am frühen Morgen das Fenster öffnet. Und dort sehe ich bereits das nächste Kapitel vor mir: Im operativen NATO Hauptquartier JFC Brunssum werde ich mein Handwerk dort einsetzen, wo gesellschaftliche Stabilität und demokratische Werte unmittelbar betroffen sind. Es ist eine Aufgabe, die Sorgfalt verlangt und Geduld belohnt. Der Takt ist anders als im Institutsalltag, die Verantwortung dafür umso spürbarer. Ich glaube, dass wir Zeiten erleben, in denen gutes Zuhören zu Infrastruktur wird. Aus Notwendigkeit.
Wenn Sie mich fragen, was ich mir wünsche, dann dies: Nutzen Sie, was wir gebaut haben, als Werkzeugkasten, nicht als Museum. Schicken Sie den Link weiter, markieren Sie Stellen, die Sie im Team diskutieren möchten. Wenn daraus Gespräche entstehen, die Klarheit schaffen, hat das Portal seinen Zweck erfüllt.
Schlussbild
Séissmo bleibt als Echo aus Wissen, das man anfassen kann. Manche Kapitel schließen sich, damit wir die Bedeutung dahinter lesen können. Ich verneige mich vor den Menschen, die diese Jahre geformt haben, und hebe den Kopf für das, was in Europa und der freien demokratischen Welt zu hören ist.
